Ausschnitt aus dem ZV info Interview vom Okt 2002
Herr Siegenthaler, wie kamen Sie zur Malerei?
Genau kann ich das nicht beantworten, sicher hatte mich mein Vater, der früher gerne Aquarelle malte, etwas beeinflusst. Soweit ich zurückdenken kann habe ich schon immer gezeichnet und gemalt und ich ’’kämpfe’’ nun seit über 40 Jahren mit unverminderter Freude mit Bildträger und Farben.
Was bedeutet die Malerei für Sie?
Viel. Ich hatte immer Spass daran, mich mit Farben und Formen auszudrücken, mitzuteilen. Malerei ist eine sehr persönliche und private Kunstform. Das Malen bietet grosse Freiheit und ich lebe damit auch meine Fantasie aus. Obwohl ich viel gereist bin und dies auch heute noch oft und gerne mache, bietet ein grosses abstraktes Gemälde aber auch die Möglichkeit überall hin zu reisen, ohne die Langweiligkeit einer langen Fahrt aushalten zu müssen.
Was inspiriert Sie zu Ihren Bildern?
Es sind die unauffälligen Dinge wie zum Beispiel ein verdorrter Pilz, ein bemooster Stein, altes Holz, eine bröckelnde Fassade oder rostige Bleche usw. die mich inspirieren. Zum Beispiel die Brauntöne Afrikas. Die Steppen, die Farbigkeit der Wüste, auch die Weite dieses Landes haben mich viele Eindrücke sammeln lassen, welche ich nach meinem Zurückkommen in meiner Arbeit einfliessen liess.
Ganz anders jedoch verhält es sich mit den unzähligen Grüntönen im Regenwald. Grüne Bilder wollen mir nicht gelingen - vielleicht verbinde ich es zu stark mit der Natur, eben mit dem üppigen Regenwald oder mit einer saftigen Wiese.
Meine Bilder sind immer das Resultat von etwas, das ich visuell wahrgenommen habe. Es schlummert in mir und kommt, plötzlich und ungeplant, während dem Malen aus mir heraus. Ich habe selten ein Motiv im Kopf. Ich beginne das Bild, verschmutze die Leinwand, übermale oder kratze weg. Zerstören und wieder aufbauen.
Das Bild sagt mir was es werden will und ich richte mich danach. Was geschieht, geschieht, und wenn etwas scheitert, ist es auch ein Teil der Arbeit.
Inwieweit beeinflussen Ihre Studienreisen Ihren Stil?
Nun, mein heutiger Malstil ist das Ergebnis intensiver Arbeit über viele Jahre. Nach anfänglichem Kopieren bekannter Künstler (mir hatten es vor allen van Gogh und Gauguin angetan) kam ich langsam von einer akademischen und expressiven Malweise zur abstrakten und informellen Malerei.
Meine Reisen haben eher Einfluss auf die Technik als auf den Malstil. Archaisches fasziniert mich. Höhlenzeichnungen, archäologische Funde, die naive Kunst Afrikas aber auch Indonesiens interessieren mich sehr. Ich sammle gerne, bringe aus allen Ländern Fundstücke mit, - Steine, Stoffe, Pflanzen, Hölzer - dies alles beeinflusst mein Schaffen im Atelier, wo die meisten meiner Werke entstehen. Vor Ort, auf den Reisen, mache ich Zeichnungen, doch diese sind keine Vorlage für Gemälde sondern eigenständige Arbeiten. Ich sauge die Eindrücke wie ein Schwamm auf und trage meine künstlerische Vorstellung in mir. Natürlich fordern Orte oder Landschaften und die verschiedenen Lichtverhältnisse heraus und haben einen wesentlichen Einfluss auf meine Arbeiten. Sie können stimulierend wirken, aber auch das Gegenteil auslösen.
Doch die Natur ist als Inspiration für meine Arbeiten immens wichtig. Nicht nur in fernen Ländern, auch auf meinen Spaziergängen in der Region finde ich Dinge die ich in meine Arbeiten einfliessen lassen kann.
Trotzdem, ich halte es zuhause eine Zeitlang aus und muss dann wieder weg.
Welche Arbeitstechniken verwenden Sie?
Ich arbeite auf Papier oder Karton mit Lack oder meist Acryl und bezieh oft auch die Farbe des Papiers mit ein. Gerne mache ich Collagen. Ich spiele mit dem Material. Mische Erde, Sand und Asche in die Farben, male und modelliere mit den Händen oder allenfalls mit einem Spachtel oder groben Pinsel.
Papierfetzen, Stoffreste und Keramikscherben finden in meinen Werken ebenso Verwendung wie Holzkohle, Muscheln und andere natürliche Materialien.
Im Garten setze ich Stoffplanen, Bretter oder Bleche oft jahrelang dem Wetter aus, bevor sich Teile in meinen Bildern wieder entdecken lassen. Nicht klinisch sauber, sondern gelebt und organisch sollen meine fertigen Werke aussehen.
Ich zerstöre, übermale, baue neu auf bis die Bilder eine Mehrschichtigkeit mit vernarbten Oberflächen voller Geschichten aufweisen.
Immer gestisch, immer auf typische Art und Weise Schichtung und Häutung, wobei ich auch den Zufall berücksichtige. Aus den Sedimenten unzähliger Übermalungen entstehen dann Werke, die in ihrem hoffentlich spannendsten Moment eingefroren wurden.
Doch das Risiko des Scheiterns ist einkalkuliert, und so übermale ich in anderen Fällen mit Schwarz und erschaffe aus dem Dunkel heraus ein neues Bild.
Meine Bilder beantworten nie alle Fragen. Der Betrachter muss seine Gefühle und seine Gedanken mit einbringen. Darum gebe ich meinen Werken auch möglichst Namen ohne erkennbaren Bezug zum Bild. Oft sind es Fantasienamen, Wortspiele, manchmal auch Namen alter Städte oder Flüsse und Bergen meiner bereisten Länder. Der Betrachter soll zwar die Entstehung eines Werkes nachvollziehen können, doch erklären will ich meine Bilder nicht. Sie sollen unmittelbar berühren, ihre Absicht, sofern eine da war, spielt dabei keine Rolle mehr. Die Bilder sind da und wirken.
Interview
Michael Merker
Sandra Wittich